Der fünffältige Dienst

Gemeindeaufbau- & Leiterseminar mit Stefan Vatter

„Bin ich ein Prophet, oder ein Apostel? Oder doch eher ein Hirte? Oder vielleicht ein Lehrer oder gar ein Evangelist? Kann ich mich da überhaupt irgendwo zuordnen? Ist überhaupt jeder einem dieser Dienste zuzuordnen?“ Diese und so ähnliche Gedankengänge waren definitiv unter den Top 10 der brisanten Fragestellungen an unserem diesjährigen Gemeindeaufbau- & Leiterseminar im Hotel Meerane. 100 Personen in einem Raum - verschiedene Gemeindehintergründe, eine Altersspanne von Schüler bis Rentner und ganz unterschiedliche Aufgabenbereiche von Gebetsdienst über Dekoteam bis hin zum Pfarrer. Nicht diese Unterschiede führten uns an diesem Wochenende zusammen, sondern die Gemeinsamkeiten. Alle bewegten dieselben Fragen. Was bedeutet der fünffältige Dienst für meine Gemeinde, für mich und meine Rolle in der Gemeinde und für uns als Kirche insgesamt? Was bedeutet es, dass Gott in jeden von uns Gaben hineingelegt hat?
Unser Referent nahm uns alle mit hinein in sein Herzensthema - die Wiederentdeckung des apostolischen Dienstes. Stefan Vatter ist Theologe, war zwanzig Jahre Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in Kempten und ist seit 2012 der Leiter der Geistlichen-Gemeinde-Erneuerung im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland. Mit seiner holographischen Didaktik malte er uns ein vom fünffältigen Dienst geprägtes Bild von Gemeinde vor Augen - ein durchaus er-strebenswertes und verlockendes Bild.
Auch in seinem Buch „Finden, fördern, freisetzen“ greift Stefan Vatter ein solches Bild auf. In Epheser 4 geht es um das Bild von der Gemeinde als Schiff auf dem Meer: ´damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen´ (Eph. 4,14).

„Der fünffältige Dienst rüstet die Gemeindebesatzung zu, Fahrt aufzunehmen und ihrer Bestimmung nachzukommen. Wobei die Gemeinde sowohl Fischkutter als auch Luxusliner ist. Fischkutter, weil ihre Aufgabe darin besteht, als Licht und Salz auf den Meeren der Welt Menschen zu retten. Luxusliner, nicht im materiellen Sinne, sondern weil etwas von der überschwänglichen und sich verschwendenden Güte der Herrlichkeit Gottes mit an Bord ist. Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, segelt unter der Flagge ihres Herrn und ist in seinem Auftrag auf den Meeren der Welt unterwegs (Mt.28,19f). Die einzelnen Aufgaben des fünffältigen Dienstes auf dem Schiff können dabei wie folgt beschrieben werden.
In der Schiffsmannschaft des fünffältigen Dienstes ist…

1. … der Apostel der, der die Begabungen der Schiffsmannschaft koordiniert - ohne ihn fehlt das Zusammen-spiel der Gaben,
2. … der Prophet der, der als Antenne himmlische Funksprüche empfängt - ohne ihn fehlt das aufdeckende Wort,
3. … der Evangelist der, der den Rettungsring auswirft - ohne ihn fehlt der Blick für die verlorene Welt,
4. … der Hirte der, der auf das Miteinander der Besatzung achtet - ohne ihn fehlt der innere Zusammenhalt,
5. … der Lehrer der, der im Wort Gottes schaut, ob der Kurs stimmt - ohne ihn fehlt die Stabilität aus dem Wort Gottes.
Die Gemeinde Jesu gleicht oft Schiffen, die im Hafen liegen und sich aneinander reiben, anstatt aufs Meer zu fahren und die Netze auszuwerfen. Der fünffältige Dienst ist dafür gegeben, die Schiffsmannschaft flott zu machen. Anstatt sich aneinander zu reiben, wird nun jeder mit seiner Gabe tätig.“ (Vgl. Vatter, S. 191 f.)

Es kommt auf jeden an! Keiner ist wichtiger oder unwichtiger. Wie schön ist doch die Vorstellung, dass jeder gerne in die Gemeinde geht, sich gerne engagiert, weil er weiß, er wird gebraucht und hat etwas beizutragen - gemäß seinen Gaben, in aller Freiheit.
Vatter legt ein besonderes Augenmerk auf den apostolischer Dienst, mit dem wir seiner Meinung nach heutzutage am wenigsten anzufangen wissen. Es lohnt sich also zu klären, was den apostolischen Dienst definiert.

„Sein Auftrag besteht darin, in neues Land aufzubrechen, um Gemeinden zu gründen, zu fördern und die Botschaft Gottes in der Welt zu proklamieren. Als Gesandter des Königs handelt er aus einer Reich-Gottes-Perspektive mit dem Ziel, alle Lebensbereiche des Menschen mit dem Evangelium zu durchdringen. Er denkt visionär und strategisch. Er spürt Potenziale einer Mannschaft auf und findet Wege, diese zum Wohl der Gemeinde, des Reiches Gottes und der Gesellschaft einzusetzen.“ (Vatter, S. 29)

Auch mit der Frage, wie wir zu solch einer Gemeinde mit apostolischem Charisma gelangen, lässt Stefan Vatter uns nicht alleine. Er ermutigt dazu, folgende Fragen ehrlich zu bedenken und zu beantworten:

  1. Haben wir die Demut, unsere Bedürftigkeit einzugestehen?
  2. Heißen wir die apostolische Gabe im Gebet unter uns willkommen?
  3. Eignen wir uns ein biblisches Bild über den apostolischen Dienst an?
  4. Lernen wir von apostolisch begabten Personen?
  5. Gestehen wir apostolischen Gabenträgern Entwicklungsräume zu?
  6. Beten wir als Leitung unter Handauflegung für geeignete Personen?
  7. Haben wir die Möglichkeit so jemanden anzustellen? (s. Seite 228)

Wer dahin kommt, auf diese Fragen mit einem JA zu antworten, ist der Gemeinde, die der dreieinige Gott im Sinn hat, einen großen Schritt näher.

Buchtipp

 

Vatter, Stefan (2016): Finden, fördern, freisetzen - Wirksam führen - die Wie-derentdeckung des apostolischen Diens-tes, 2. Auflage, Schwarzenfeld: Neufeld-Verlag. 

ISBN 978-3-86256-057-8